Mittwoch, 26. November 2008

Nachtrag auf dem Nachhauseweg

Zwei Sachen, die noch loswerden will, um 1:23Uhr Mittwoch morgens...

Erstens habe ich endlich ein lang gesuchtes Lied gefunden, durch Zufall, es wurde wieder im Radio gespielt und nun kann ich es noch als BONUSTRACK zu meiner Herbst-Playlist hinzufügen:


Und dann wäre da noch ein weiterer zu erbringender Beweis für den herrschenden Irrealismus in meinem Leben, oder auch: "Wie ich gerade mit der U-Bahn nach Hause fuhr".
Ich war zu Besuch bei einer Freundin, eine von denen, mit welchen man bereits nach einer Woche visueller Abstinenz schon zwei Stunden brauch um alle Neuigkeiten auszutauschen, der man eben auch alles anvertrauen kann und sich unter gegenseitige Wertschätzung und Hilfe stets der reine Spaß am Dasein mischt... In der einen Minute ernsthaft alle Aspekte einer Begebenheit bis ins Detail auseinanderklamüsern und in der nächsten über eine Albernheit lachen bis man sicher ist, die Nachbarn geweckt zu haben. Ich kann mich wohl glücklich schätzen, dass ich einige dieser Freunde habe.
Diesmal war es jedoch etwas anders, waren wir anscheinend in sämtlichen Punkten unseres Gesprächs unterschiedlicher Meinung und nach einer Weile begann ich mich für Handlungen zu rechtfertigen, auf deren Bestätigung und Ermutigung ich von ihr erhofft hatte. In einer völlig anderen Lebenssituation, mit klaren Vorstellungen und entsprechend gezielten Aktionen, konnte sie nicht nachvollziehen, wie ich momentan durch meinen Alltag stolpere, hin und her gerissen zwischen Vernunft und Chaos-produzierenden Taten wider besseren Wissens. Vielleicht war sie auch meine nicht-enden-wollenden Seifenoper-Geschichten leid; hörte diese zwar sehr aufmerksam und geduldig an, aber Trost und Ermutigung konnte sie nicht erübrigen. Zur Recht, vielleicht.
Über all das dachte ich nach, in der U-Bahn, zwischen den Zeilen meines Buches. Plötzlich setzte sich jemand mir gegenüber und fing an, mich vollzuquatschen.
"Ey, was machst du da? Fährst du nach Hause?"
Ich ignorierte ihn. Mir fehlte schlichtweg die kreative Energie bzw. die Fiesheit um ihn abzuwimmeln, bzw. war meine soziale Ader für heute ausgeblutet. Als ich noch überlegte, so zu tun als ob ich nur englisch spreche, denke ich mir, mit einem deutschen Buch in der Hand wirkt das nicht so überzeugend.
"Hallo? Was is los? Studierst du? Ey, sag doch ma was!"
Endlich blicke ich auf.
"Ooooh, schöne Augen!"
Er wirkt noch jung, europäisches Aussehen, etwas heruntergkommen, herausfordernder Blick.
Ich will weiterlesen.
"Was liest du denn da? Kannst wohl nich reden?!"
Mit zusammengekniffenen Augen versuche ich mich auf die Zeilen zu konzentrieren. Je länger er redet, desto weniger weiß ich, was ich sagen soll.
"Hallo! Halloooo!!"
Er fuchtelt mit der Hand vor meinem Gesicht, ich stiere in mein Buch.
"Hast du einen Freund? Wir könnten uns ja ma treffen..."
Er fängt an mit der Spitze seines Schirms an meiner Tasche rumzustochern. Schließlich piekst er mich leicht. Ich werfe ihm einen weiteren bedeutungslosen Blick zu.
"Uuuuuh, wirst du mich jetzt verklagen, weil ich dich belästigt hab, was?!"
Er lacht stichelnd.
"Du redest wohl nicht gern, was?"
Die U-Bahn hält, er steigt aus, sichtlich verärgert über meine fehlenden Reaktionen.
"Ich wünsche dir noch einen schönen Abend."
Ich klammere mich mit meinem Blick in mein Buch. Er ist nun richtig frustriert.
"Weißt du was? Ich wünsche dir, das du mal richtig viel Geld verdienst! Ja, das wünsche ich dir!"
Es klingt wie eine Drohung. Als er weg ist frage ich mich, ob Geld wohl sein größtes Problem ist (meines jedenfalls nicht). Und warum ich so überhaupt keine Angst vor ihm hatte.

Die letzten 10 Minuten Fußweg wächst meine Verwirrung nach dieser Begegnung weiter. Unter den leuchtenden Neon-Ringen am Messe-Turm suche ich nach Antworten, drehe mich schnell im Kreis, die Farben verschwimmen, aber die Erleuchtung bleibt aus.
Ich denke wieder an den Besuch bei meiner Freundin und wie sehr ich sie mag, trotz unserer Meinungsverschiedenheiten. Soll ich ihr jetzt nicht mehr von meinen Problemen erzählen aus Angst vor ehrlichen Antworten? Scheue ich vielleicht ihre Version der Wahrheit so sehr? Aber wer bin ich denn, mich ständig Herausforderungen stellen zu müssen? Ein Niemand bin ich! Gefangen in den beschränkten Spähren meines Bewusstseins, ewig gegen den Strom schwimmend in den fließenden Übergängen zwischen Sein und Schein. Das Gefühl der Deplaziertheit steigert sich in Wut, bis ich schließlich mitten auf der leeren Straße stehen bleibe. Die Ampel steht auf rot. Da fällt mein Blick plötzlich auf das Straßenschild... Lia-Wöhr-Platz. Noch nie zuvor hatte ich den Namen, meinen Spitznamen Lia, ein zweites Mal gehört oder gesehen und nun starrte er mich an, festgeschrieben, das Gefühl nicht hierher zu gehören belächelnd. Die Ampel ist mittlerweile grün. Da schlägt mich die Realität mit meinen eigenen Waffen, und wie im Trotz laufe ich die letzten Meter bis zu meiner Haustür, die Stirn nachdenklich in Falten gezogen, bleibe schließlich kurz stehen und meine herausfordend:
"Leben, so einfach wie du tust, bist du gar nicht."
Die Straße liegt still, die nächste Ampel ist ausgeschaltet. Darauf kommt nun doch keine Antwort mehr.

3 Kommentare:

WarMuuh!! hat gesagt…

hey, lia :)
ich mag dein stil, zu schreiben... hast du eigentlich mal dran gedacht, mehr zu schreiben?

oder hast du mal gedacht, dass es (das geld) eventuell doch als drohung gemeint war? jedenfalls dacht ich als erstes daran, dass in dem menschen doch mehr steckte, als deine schilderung glauben macht.

aber deplaziert? ein niemand? nein..für viele menschen bist du das nicht, jule. es gibt immer jemand, dem du etwas bedeutest...
keep on =)

Anonym hat gesagt…

Hey meine Liebste,
ich kann mich meinem Vorkommentator nur anschließen.Ein Niemand bist du ganz bestimmt nicht und mir bedeutest du sehr viel.
Deine (Nicht)Reaktion auf den Typ ist fast immer die beste Lösung,mache ich auch immer so ;-)
Ich lese deine Beiträge immer total gerne!
Drück dich ganz lieb

Setis hat gesagt…

Hey Lia,

EIN NIEMAND bist du defintiv nicht, aber evtl. hättest du dich auf das Gespräch einlassen sollen....

Und ich finde Warmuuhs Vorschlag recht gut, du könntest denke ich mehr schreiben als nur diesen Blog, aber das ist natürlich dir überlassen.

Wir müssen mal wieder Skypen :-), hab schon länger nix mehr von dir gehört :-(....

Übrigens komme ich am 21.12 wieder nach Deutschland, das macht ein Treffen einfacher ;).