Freitag, 30. November 2012

mein Leben, meine Probleme

Ich kann verstehen, warum manche Menschen keine Veganer mögen. Und die noch krasseren Menschen keine Vegetarier. Wir sind einfach nervig, schreckliche Gutmenschen, die das Wohl der Erde auf ihren Löffel gelegt haben. Nur damit sie diesen nicht so schnell abgibt. Und wenn man sich einmal auf den Pfad der Tugend verlaufen hat, zum Beispiel es moralisch nicht mehr akzeptiert, dass knuddelige und weniger knuddelige Tiere qualvoll leben und sterben nur für die täglich hastig eingeworfene Mahlzeit, wenn man das nicht mehr möchte, dann ist die Büchse der Pandorra erst geöffnet. Dann fängt man vielleicht noch an im Kindergarten zu arbeiten, oder in einem anderen sozialen Beruf - also so einer, wo man immer denkt: ohne mich geht alles den Bach runter, aber warum kriegen die Analysten das ganze Geld? Irgendwann kauft man dann Bio-Produkte, und nicht, weil es für einen selbst gut ist, sondern (aufgepasst!) für die Umwelt! Aha! Es folgen bissige Blicke vom Fahrrad durchs Seitenfenster auf sämtliche Jeep-in-der-Innenstadt-Fahrer, das standhafte Verweigern je wieder eine Plastiktüte für das Gemüse im Rewe abzureißen und schlussendlich der Freiwilligen-Einsatz in irgendeinem Zweite bis Dritte Welt-Land. Und da man sich um das Bild des ständigen blass-bleichen Nörgels auf Bio-Latschen bewusst ist, verpackt man die "kauft lokal, denkt global"-Predigten in großspurigen Sarkasmus. Sätze wie: "ich will ja nix sagen aber der Plastik-Strudel im Ozean ist so groß wie Grönland", basierend auf Halbwissen aus Charlotte-Roche-Sendungen und schlechten Gewissen über den Ausflug ins Sushi-Restaurant letze Woche, vermischt mit Pessismus, Hilflosigkeit und einer Prise Trotz, versprechen jede Unterhaltung gen Untergang zu steuern. Ich weiß es, und tu es trotzdem, manchmal.

Wie konnte mir nur so etwas passieren? Heute abend saß ich mit lauter Gutmenschen am Tisch, einige Veganer, Vegetarier, und sogar einer, der (grad) keinen Alkohol trinkt. Natürlich wurden Kochrezepte ausgetauscht und auch das Thema Polygamie wurde aufgegriffen. Aber nicht mit spitzen Fingern, sondern als Schablone ans die eigene Lebenssituation gehalten, eine Dame schlussfolgerte: "Jetzt noch nicht."
Einmal gespiegelt zu bekommen, wie widerlich so viel Toleranz und Umsicht ist... faszinierend. Dabei habe ich es schon immer gehasst, anderen zu erklären, warum ich kein Fleisch essen will. Erklärt ihr mir lieber, warum ihr Fleisch esst. Das meiste ist richtig ekelhaft, und es wird von Leuten gegessen, die in Bus und Bahn die Haltestangen nicht anfassen wollen, wegen der viele Bakterien. Aber das istgeht nur an die Haut! Das Fleisch voller Östrogene, Antibiotika und Bazillen, die die Antibiotika nicht abtöten konnten, tun die Menschen IN sich REIN. Igitt!

Ihr seht was ich meine. Ich bin eine von denen. Besserwisser. Gutmensch. Und ganz schlimm: Pädagoge. Wer mich verärgern will, sagt: Erzieher. Und wenn ich dann abends nach Hause komme und (so wie fast jeden Tag diese Woche) meine Glühwein trinke, weiß ich: ich bin eine von den Bösen. Das ergibt keinen Sinn, aber darauf beruht das Böse ja.
Ich will nicht, dass in meinem Leben alles in Ordnung ist. Ich bin mit meinem Studium fertig* und es könnte mit meinem verrückten Leben nun alles auf ruhige Bahnen kommen. Ich bin alt genug für fast alle Sachen im Leben (außer Rente), trotzdem noch lernfähig, klingt doch ideal für ein ausgeglichenes Dasein. Nein! Nein, nein, nein! Nehmt mir bloß nicht meine Probleme weg. Vielleicht bin ich in einer Generation aufgewachsen, die es doch recht einfach hatte, denn ich brauche meine Probleme. Sonst langweile ich mich zu Tode! Das ist auch der Grund, warum ich diese Weltreise machen muss... Was will ich jetzt schon den Rest meines Lebens beginnen? Das wäre doch nicht nur semantisch gesprochen der Anfang von Ende. Abgesehen davon bin ich unendlich neugierig, aber dies ist eine andere Geschichte.

Jedenfalls sitze ich nachts um 1 Uhr vorm PC, hab schön mit Freunden rumgehangen und von meiner To-Do-Liste nix geschafft. Wenn ich nicht heut schon 8 Stunden arbeiten gewesen wär, könnte ich mich glatt wieder wie ein Student fühlen. Gleich werde ich mir im noch eine völlig überflüssige Serie anschauen, einfach weil ichs kann, obwohl ich müde bin. Was bleibt mir nun noch zu sagen? Hört nicht auf mich? Hört auf niemand? Hört hört! Whatever, scheiß auf gute Abschlüsse.


WUSSTEST DU SCHON?
* Wichtige Neuigekeiten kann man getrost auch mal in Nebensätzen abhandeln, wie z.B., dass ich mein Studium geschafft habe (gut, quasi, auch wenn eine Note noch fehlt) und jetzt auf Weltreise gehe. Was soll man da auch noch zu sagen, wenn man bedenkt, wieviel Wichtigeres es doch zu besprechen gibt? Kleiner Scherz, ihr werdet noch davon hören.