Mittwoch, 18. Juni 2014

Sommerfarben

Oh wie schön das Leben ist, wir habens schon immer gewusst. Tagein, tagaus gesund zu sein, ein Dach überm Kopf und den guten Käse (Sonderangebot!) im Kühlschrank. In letzter Zeit wars wirklich einfach sich wohlzufühlen, frei zu sein und gleichzeitig in guter Gesellschaft. Dass mein Vater kurz im Krankenhaus war und mein Bruder überfallen wurde, hat mir Sorgen bereitet, zumal die Dinge bei mir auch nicht immer glatt liefen, aber irgendwo gehört das ja zum Leben dazu, und so lange am Ende alles gut ist - also mal angenommen heute ist das Ende - gibt es keinen Grund zur Beschwerde.

Nach einem entspannten Morgen mit Kaffee und Musik vorm offenen Fenster und einem interessanten Gespräch über Fernreisen mit meinem neuen Mitbewohner, sitze ich das Briefeschreiben unterbrechend und mir den Spinat-Feta-Pie von gestern gönnend so in unserer Chill-Ecke, als mir plötzlich der Duft von weit entfernter Freiheit um die Nase weht. Was bleibt ist Melancholie. Der graue Schleier nach all den Schwarz-Weiß-Fotos an meiner Wand, bis der nächste Sommerregen ihn wieder abwäscht. Eine grundlose Traurigkeit, die wie ein tiefes Seufzen nach außen strömt, wo ich sie erstaunt ansehe und frage: nanu, was tust du denn hier?

In Frankfurt hatten wir einen Frisbee-Trainer, der im wirklichen Leben im Zoo arbeitete und uns einmal auf einen Rundgang einlud. Als entschiedener Gegner vom Konzept, Tiere in Gefangenschaft zu halten, war das für mich ein interessantes Erlebnis, aber er konnte mich sogar davon überzeugen, dass es den Tieren auf Grund all der gesetzlichen Auflagen im Zoo besser ergeht als in der Wildnis, wo man gefressen werden, verhungern oder Wilderern zum Opfer fallen kann. Außerdem durften wir irgendeinen exotischen Igel mit Namen 'Martina' streicheln, wenn schon das Elefantenreiten wegen Mangels an Elefanten ausfiel, also ein guter Tag.
Mittlerweile sehe ich die Dinge wieder anders. Nun weiß ich ja nicht, wie es um die Gemütslage von Tieren steht, ob so ein Zebra lieber in der Wildnis frei aber dafür in ständiger Gefahr leben würde, oder ob es völlig zufrieden damit ist, sich den angekarrten Wüstensand zusammen mit dem Feinstaub einer Großstadt um die Nase wehen zu lassen, solange es regelmäßige Mahlzeiten erhält. Aber ich bin nunmal kein Zebra (auch wenn ich heute witzigerweise einen schwarz-weiß-gestreiften Pulli trage), sondern sehr freiheitsverliebt, und ich würde körperlich und geistig eingehen, egal wie bequem das Leben in Gefangeschaft wäre. Für jede denkende, fühlende und sich ums eigene Bewusstsein bewusste Seele müssen Grenzen eine Qual sein, die Frage ist nur, wo man sie zieht.

Ist mir das bequeme Leben in Deutschland schon wieder zuviel? Der Sommer kam und wehte die schweren Gedanken vom Jahresanfang einfach weg, und es ist kein Lichtjahr übertrieben zu behaupten, dass ich glücklich bin. Und dennoch gibt es Momente wie diesen, wo die ungeahnte, vergessene Freiheit kurz aufglimmt und eine derart tiefe Sehnsucht in mir entfacht, dass ich alles stehen und liegen lassen und sofort aufbrechen will.
Und noch während dieser Moment andauert, läuft im Internetradio zufällig Cat Power, und es ist wirklich schwer nicht an das Universum und seine Energien zu glauben.




hör mir zu, geh nicht diese Straße entlang
die hat immer ein Ende
komm und sei frei, du weißt wer ich bin
wir sind einfach lebendige Menschen

wir werden nichts besitzen
damit haben wir auch nichts zu verlieren
wir können alle frei sein
vielleicht nicht durch Worte
vielleicht nicht mit einem Blick
aber durch deinen Geist



PS: An dieser Stelle möchte ich meine gute Freundin Ulli grüßen, die gemeinsam mit ihrem Mann und zwei Motorrädern für ca. 1 Jahr von Nord- nach Südamerika brettert. Alles Gute und möget ihr die Quizfragen der Bären richtig beantworten! Hier berichten sie live von der Reise.