Donnerstag, 14. August 2014

es tut mir leid

Das Auf und Ab im Leben ist doch immer das gleiche, ich geh kaputt. Auf ein paar Tage absolute Zufriedenheit über endlich gefundene Lösungen sämtlicher wichtiger Probleme, folgt so sicher wie die Flut an Rechnungen auf die Ebbe aufm Konto... richtig: die nächste Katastrophe. Und die kommt doch so gern in Begleitung ihrer Großfamilie der kleinen Nervereien. Aber eins nach dem anderen, schön durcheinander...

Was macht ein Arbeitsloser vor 9 Uhr morgens auf der Straße, wenn die Nacht vorher keine Party war und man nicht auf dem Weg vom Club nach Hause ist? Richtig, man hat einen Termin beim Arbeitsamt. Den ich eigentlich abgesagt hatte. Weil ich dachte, ich habe einen Job. Warum habe ich immer noch keinen Job? Richtig, weil ich dumm bin! Die Geschichte geht so:

Auf eine Bewerbung von Ende März meldet sich Ende Mai ein sozialer Verein und lädt zum Bewerbungsgespräch, was total entspannt verläuft, der Job stellt sich als anstrengend heraus, aber ist Teilzeit, gut bezahlt und mit Rad erreichbar (aka Traumjob), ich krieg die Zusage, krass geil. Hole den Arbeitsvertrag ab,werde für Dienste ab 15.7. eingeteilt, meine ersten Schichten! Zwei Tage später dann die Email:
"...wir können Ihre Einstellung nicht wie geplant durchführen. Obwohl mit dem Jugendamt verhandelt, sind uns Kürzungen in den Personalkosten auferlegt worden, die zur Zeit keine Einstellung möglich machen.
Wir haben in dieser Nacht hin- und her gerechnet, können jedoch nicht abschätzen, wann eine Personalerweiterung machbar wäre. Ich muss Sie daher bitten, sich wenn möglich bis Oktober/November zu gedulden. Ich würe auf alle Fälle mit Ihnen im Kontakt bleiben.

Es tut mir sehr leid."


Ich. Hasse. Das. Jugendamt.
Es gab sehr, sehr viele böse Gedanken einem gewissen Amt mal auf den Tisch zu sch***en, und ich wache manchmal noch auf und denke, warum nur? Wieso immer ich? Doch im Grunde bin ich darüber hinweg. Das Universum will nicht, dass ich arbeite, das muss ich akzeptieren und nun meinen Urlaub für September planen.
[Ende der unendlichen Geschichte, wie ich immernoch keinen Job habe.]

Heute morgen, ein wenig verspätet düse ich über die morgendlichen Dresdner Straßen, rote Ampel, schade, drüber, schneller, schneller, denn was passiert eigentlich, wenn ich zu spät komme? Wird mir pro Minute ein Prozent vom ALG gestrichen? Das ist das eigentliche Krux von Hartz 4, in irgendeinem Gesetzbuch stehen sicher diese Regelungen, aber am wichtigsten ist, dass man weiß, Gelder können gestrichen werden, wenn man sich nicht an die Regelungen hält. Das hat man ja auch unterschrieben und dabei genauso verstanden wie alle Allgemeinen Geschäftsbestimmungen, bei welchen man immer 'Akzeptieren' klickt und denkt: wird schon nichts schlimmes drinstehen.
Nach all den nicht vorhandenen Interaktionen mit meiner Betreuerin war ich sehr aufgeregt, sie diesen Morgen kennenzulernen. Eine Frau, die sich nie persönlich bei mir gemeldet hat, egal wieviele Nachrichten ich ihr geschickt hatte. Eine Frau, die mich zum Glück auch die meiste Zeit mit Jobvorschlägen verschont hat und wenn dann manchmal dabei sogar eine Spur Sarkasmus zeigte, als sie mich als Ausbilderin für Erzieher einsetzen wollte, und das nachdemich den Erzieher-Job verloren hatte. Eine Frau, die vielleicht ein wenig dumm ist.
Pünktlich 10 Minuten vorher sitze ich vorm Büro und lese in Ruhe mein Buch, keine Erwartungen, kein Stress. Eine Dame steckt nach einer Weile ihren Kopf aus dem besagten Eingang und fragt, zu wem ich wöllte. Na zu ihr! Aber ich hätte doch abgesagt? Ja, aber in meinem Online-Profil steht der Termin noch und ich hab ne Erinnerungs-SMS bekommen (ohja, so modern ist das Arbeitsamt! ob man sich auch per FB benachrichtigen lassen kann, weiß ich allerdings nicht, aber ne App gibts schon!). Nach der kurzen Verwirrung  beschließt die Dame gütigerweise, mich ins Zimmer ein- und das Gespräch doch stattfinden zu lassen. Sie hat den Luxus eines eigenen Büros, sehr aufgeräumt, mit ein paar persönlichen Sachen, aber sehr gesittet. Sie selbst sieht aus wie Elisabeth Meinhardt aus GZSZ (bitte fragt nicht...!) und ich merke schnell, sie ist sehr freundlich. Aber auch ein wenig dumm. Ich hatte schon morgens beschlossen, meine Strategie der Konfrontation mit Fragen wie: "Warum antworten Sie nie auf meine Nachrichten? Oder Anrufe? Warum schicken Sie mir so doofe Jobangebote?" zu ändern in pure Freundlichkeit. Der Hund beißt nicht in die Hand, die ihn füttert. Und die nette Dame hört mir auch gar nicht richtig zu, sie muss erstmal begreifen, dass ich doch keinen Job habe, obwohl ich es dem Amt vor Wochen mitgeteilt habe, denn es steht noch nicht in ihrem PC. Ich versuche sie zu erklären, die ganze sinnlose Geschichte, aber die Frau ist mit Tippen beschäftigt und ruft lieber einen Kollegen an, da sie meine Brief nicht erhalten hat. Nachdem das verdaut ist, fängt sie sofort an, nach Jobs für mich zu suchen, klickt in der Jobbörse herum und rattert irgendetwas mit "Hier könnten Sie's ja ma probieren..." herunter. Als Arbeitsvermittler ist sie jetzt richtig in Fahrt und klickt und druckt, was das Zeug hält, unabhängig davon, was ich davon halte. Meine Stimmung schlägt von erwartungsvoll und leicht amüsiert in Schnauze voll und mächtig desillusioniert um. Falls ich je gedacht hatte, dass ein Betreuer dazu da ist, gemeinsam mit mir den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit anzugehen und einen Job passend zu meinem persönlichen Profil zu finden, dann war das nur ein Beweis für meine Naivität. Der Frau kann man nur bedingt einen Vorwurf machen, wenn sie doch die halbe Zeit damit beschäftigt ist, der Post hinterher zu rennen, die beim Leistungsteam xyz hängengeblieben ist, oder genau wie ich irgendwelche automatischen Emailmitteilungen der Hauptstelle zu entziffern. Mein Blick bleibt am bleischweren Himmel draußen hängen und ich versuche erste Verzweiflungsgefühle zu unterdrücken. Anfangs war es einschüchternd aber immerhin witzig, sich auf das Arbeitsamt einzulassen, aber nun ist es nur noch ... ein wenig wie damals als Pflegekraft die Windeln wechseln im Behindertenheim: man weiß jedes Mal mit Sicherheit, dass man sich auf einen Haufen Scheiße eingelassen hat.
Immerhin ist das Gespräch keine Zeitverschwendung, ich werde ein paar Fragen los und bekomme Infos, wo ich zu meinen Fragen mehr Infos finde, denn wie man als Pädagoge in Sachsen Erzieher wird, kann meine Freu Betreuerin mir auch nicht sagen. Kurzer Abschied und ich bin auf dem Weg nach draußen, noch kurz eine halbe Stunde anstehen um ein Formular für den Nebenverdienst abzugeben, und endlich weg aus dem Bunker. Kurz frage ich mich, in was für einen Land wir eigentlich leben, wo die Logik auf allem außer Menschlichkeit basiert, aber wir wissen alle, die Antwort liegt irgendwo am Grunde eines Bierglases. Stattdessen rauf aufs Rad, Ohrstöpsel rein, Gegenwind standhalten, und da ist auch die Sonne! Für den kurzen Moment als Edward Sharpe in der Playlist auftaucht, fühle ich mich wie damals an dem kalten Morgen in Kalifornien, bin ganz weit weg. Wird schon alles gut werden, muss es ja.

Aber die Geschichte ist noch nicht ganz vorbei. Eine kleine Pointe hat das Leben in der Interaktion mit meiner Betreuerin noch bereitgehalten. Ich habe von ihr kurz nach dem Termin heut Morgen eine Email erhalten:
"ich nehme Bezug auf das mit Ihnen geführte Beratungsgespräch. Ich habe im Nachgang festgestellt, dass Sie seit Mai 2014 im Zuständigkeitsbereich vom Team  Integration XYZ ( Postleitzahl 01097) wohnen. Ich bin verpflichtet Sie in das Team XYZ abzugeben.
Unser heutiger Gesprächsinhalt wird von mir dokumentiert. Für alle künftigen Fragen wenden Sie sich bitte an Team XYZ.
Das Leistungsteam ZYX ändert sich nicht. Das tut mir leid."
 

Na dann bin ich ja ma höchst gespannt auf meinen nächsten Betreuer. Und bis der sich meldet, bete ich, dass der Anwalt des Vereins wo ich arbeiten wollte gegen das Jugendamt gewinnt und ich doch noch meinen Job kriege. Oder für den Zusammenbruch des Kapitalismus, das geht auch.
Oh, und sorry, wenn ich jemanden dumm genannt habe. Das tut mir leid.