Sonntag, 15. März 2015

die Unausgereiftheit des Denkens


Gestern habe ich endlich mal wieder Zeit und Muße gehabt, Tagebuch zu schreiben, das ist genauso lange her wir meine letzten Worte hier. Für manch einen wird das kein bedeutendes Ereignis sein, aber die regelmäßig geführte Selbstreflektion ist nicht nur im Moment des Schreibens therapeutisch, sondern Jahre später noch unterhaltsam. Und bei dem Ausmaß an Ereignissen in den letzten Monaten ist es auch dringend notwendig gewesen.

Wenn man aus dem Fenster schaut ist gefühlt noch Januar, also darf ich wohl sagen: heute vor einem Jahr war alles noch ganz anders! Die Zeit bis zum Frühling zog sich wie ein wabbernder Herbstnebel durch die ewig kahlen Straßen im Frankfurter Herbst, nur durchbrochen von einigen strahlenden Momenten, z.B. immer dann, wenn ich dachte, ich habe einen Job. Und nun habe ich wirklich einen! Seit 1,5 Monaten stehe ich regelmäßig früh auf (naja, Schichtdienst...), werde gut bezahlt (Gehalt müsste nun jederzeit eintreffen...) und rackere mich ab (innerlich). Wie so oft, wenn man endlich bekommt, wonach man sich so lange gesehnt hat (hüstel), ist es letztendlich gar nicht so geil. Die Arbeit als Pädagoge zeichnet sich vor allem durch eines aus: Selbstaufgabe und Undankbarkeit, zusammen mit nicht rechnen können.
Im Ernst, ich wollte unbedingt eine Beschäftigung, bei welcher ich konkret die Lebenssituation anderer Menschen verbessern kann, bzw. ihnen dabei helfen das zu tun. Nur zum einen gehen die Vorstellungen, was 'verbessern' bedeutet, zwischen einem Teenager und mir deutlich auseinander, zum anderen scheine ich ihnen dabei eher noch im Weg zu stehen. Für jemand von der Gesellschaft (oder Repräsentanten von ihr) verlassenen eine Art Ersatzmutti zu spielen, auch Bezugsperson genannt, ist wesentlich härter als ich es in meiner ewig währenden Naivität vermutet hätte. Hinzu kommt, dass meine kürzlich erworbene und sich vertiefende Hippie-Philosophie in einem Heim für betreutes Jugendwohnen mir eher im Weg steht, v.a. wenn es darum geht sich gegen aggressive Jugendliche zur Wehr zu setzen. Nunja, vielleicht können wir uns demnächst deren Tabletten teilen. Ansonsten kann ich meinen fehlenden Mut und Durchsetzungkraft immer noch durch Ausdauer (sprich: Sturheit) und kreative Energie ausgleichen, außerdem brauchen alle guten Beziehungen ihre Zeit. Ich frage mich nur, warum es bei anderen Menschen immer so lange dauert, bis sie sich öffnen können, ich hätte meine neuen Kollegen glatt auf meine Geburtstagsparty eingeladen! Aber die haben sich noch nicht entschieden, was sie mit mir anfangen sollen...

So wacht man an einem Sonntag 7.30 Uhr im Büro auf, würde mich gern in die Arbeit stürzen, aber der eine Jugendliche ist zum Fussball und die andere schläft noch. Der Friedhof gegenüber, der keiner ist, liegt noch im grauen Märzdunst, und es wird auch nicht richtig heller, nur weniger dunkel. Endlich haben wir ein Radio für die Geräuschkulisse, es läuft Klassik da alles andere unerträglich ist und ich lese nebenbei die ersten 20 Seiten eines französischen Buchs über einen Brite, der statt Geschäftsmann lieber Butler in Frankreich wird. Und ihr fragt euch, warum ich am Anfang so geschwollen geredet habe... Nunja, der Snob und der Assi in mir wechseln sich ab.
Endlich also lichten sich die dunklen Wolken am Horizont meines Alltags, endlich eine neue Wohnung mit dem alten Freund und einem netten Studenten, mit Balkon, Badewanne und allem Pipapo! Endlich im 2. Outdoortraining gewesen und mal wieder die Hufe geschwungen, Bewegung du bist der Freund aller Verkopften! Endlich eine sinnvolle bezahlte Beschäftigung, ambivalent in Herausforderung und Stress, aber noch habe ich die Energie mich meinen Ängsten zu stellen. Vielleicht lerne ich endlich, mehr auf meine Intuition als meinen Kopf zu vertrauen, denn heute morgen stelle ich nicht zum ersten und letzten Mal selbstreflektierend fest, dass die Unausgereiftheit des Denkens die eigentliche Sackgasse ist, solange sich das Leben konträr zu jeglichen Einschätzungsversuchen verhält.
Prost.

Und zum Abschluss 3 völlig unterschiedliche, tolle Lieder, die ich momentan rauf und runter höre!





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